Als ich ein kleiner Junge war, sagte mein Opa ziemlich oft: den Chinesen ist nicht zu trauen, zu keiner Zeit, gestern nicht, heute nicht und morgen schon gar nicht!
Gut, der alte Mann hatte zwei Weltkriege mitgemacht und beide nur halbwegs glimpflich überstanden. Dass da ein vielleicht einstmals positives Weltbild und der Glaube an das Gute im Menschen erst ins Wanken geraten und anschließend den Bach runtergehen, ist irgendwie verständlich. Und wahrscheinlich hatte er als ehemaliger Handelsattaché der sterbenden Österreich-Ungarischen k. u. k.-Monarchie einiges gesehen und gehört, wovon man besser nichts hätte hören und sehen sollen…
Ich frage mich nur: warum kommt mir all das gerade jetzt in den Sinn? Sollte das in irgendeiner Weise an Vladimir oder dem Mächtigen Onkel liegen? Das wäre doch seltsam, finden Sie nicht? Aber ich werde eben auch langsam alt…
2023, Acryl, Gouache und Aquarell auf Leinwand, 79 x 60 cm
Der Wachturm der falben Affen an der Großen Mauer –
die Hüter eines undurchsichtigen Systems
Im Herzen eines fernen und rätselhaften Staates ragt eine eigenartige Struktur empor, die in der Welt als Wachturm der falben Affen an der Großen Mauer bekannt ist. Der Turm wirkt zunächst, so wie er dasteht und sich beeindruckend in Größe und Monumentalität vor dem milchigen Horizont erhebt, wie eine harmlose Aussichtsplattform. Dabei ist er weit mehr als nur das. Er verkörpert die Präsenz einer mysteriösen Macht, die beträchtlich über seine physische Präsenz hinausreicht. Die falben Affen, die diesen Turm bewohnen, eine uralte Art, deren Anfänge sich im Dunst lange vergangener Zeiten verlieren, sind unbeabsichtigt und ohne es recht zu begreifen zu den Hütern einer lauernden Majestät geworden, die die dunkle Absicht hegt, alle Welt zu erobern. Dabei setzt sie rücksichtslos allerlei subtile Methoden ein, um jeden noch so verschwiegenen Bereich der globalen Gesellschaft zu infiltrieren und am Ende zu dominieren.
Der Turm erhebt sich weit empor in eine stickige, drückende Weite, seine Silhouette gegen den verhangenen Himmel erinnert an eine alte Festung, doch sein Zweck hüllt sich für die meisten Betrachter in einen diffusen Schleier. Man sagt, dass die falben Affen, die innerhalb seiner Mauern hausen, früher die sorglosen Bewohner einer üppigen Berglandschaft waren, bis sie schließlich in einen Dienst gezwungen wurden, der ihre natürlichen Neigungen zutiefst missachtet. Diese ahnungslosen Fexen, einst wegen ihrer smarten Wendigkeit und temperamentvollen Intelligenz verehrt, sind zu blassen, manipulierten Spielfiguren geworden in einem großen Plan, geschmiedet von der fernen Majestät und ihren tonlosen Träumen von der Weltherrschaft.
Das Regime des Herrschers operiert im Verborgenen und nutzt die Affen als Instrumente und Symbole seiner Macht zugleich. Wie stille Späher beobachten die Falben die Welt unter sich, ihre erratischen Augen erfassen jede Nuance menschlicher Aktivität. Die herrschende Majestät, in ein geheimnisvolles Netz unzähliger aufmerksamer Lauscher gehüllt, übt ihre Kontrolle durch ein komplexes System aus, das jede Bewegung überwacht. Es ist ein Netz der Zensur, so fein gewoben und allgegenwärtig, dass selbst belangloseste Kleinigkeiten des Alltags erfasst werden.
Die falben Affen, vor nicht allzu langer Zeit noch freiheitsliebend und verspielt, ducken sich nun unter den tausendfachen Repressalien einer ungreifbaren Macht und dienen ihr erstarrt in versteinerter Resignation. Zu Konformität gezwungen unterliegen sie ständiger Beobachtung. Jede ihrer Handlungen wird von der unsichtbaren Hand der Macht beherrscht. Diese heimtückische Kontrolle erstreckt sich über ihre Physis hinaus, dringt ein in ihre Vorstellungen und formt ihr Sinnen und Verhalten so, dass es mit der Agenda des Regimes übereinstimmt.
Anstelle offener Machtdemonstration manipuliert die Majestät die Affen meist durch wirtschaftlichen und sozialen Druck. Einzelne Falben, die sich dem vorgegebenen Kodex widersetzen, sehen sich mehr und mehr sozial ausgeschlossen und von ihren Geschwistern verachtet und geächtet, denn es gilt als ehrenhaft, den tödlichen Bannfluch über Abtrünnige zu verhängen. So folgen rasch Verlust von Ansehen und Entzug jeglicher Lebensgrundlage. Dissidenten finden sich schnell in einem aussichtslosen Zustand von Isolation und Verzweiflung wieder.
Dieser Wachturm, der vor Jahrtausenden ein Symbol für das Wunder weitblickender Weltordnung war, hat sich leise und von allen unbemerkt in die Repräsentanz eines sublimen Machtgefüges verwandelt, dessen Rücksichtslosigkeit alle Vorstellungskraft übersteigt. Er ist eine vernichtende Metapher auf den kaltblütigen, allgegenwärtigen Einfluss, den ein ferner Staat auf die Welt ausüben will, indem er die ahnungslosen Affen als Agenten für seine Absichten missbraucht. Das große Design besteht darin, jede Ecke der Welt zu infiltrieren, Ereignisse subtil zu manipulieren und dabei die wachsamen Augen der in Handlungsunfähigkeit gezwungenen Falben zu nutzen.
So wie der Wachturm über der Landschaft aufragt, gemahnt er an die Gebrechlichkeit der Freiheit und wie diskret sie untergraben werden kann, solange tückische Bösartigkeit in ausreichender Menge dahintersteckt. Die Falben, einst souveräne Herrscher über ihren ungezähmten Geist, verkörpern nun bewusstlose Machtlosigkeit. Die undurchsichtigen Ambitionen der lauernden Majestät reflektieren die mysteriöse Transformation des Wachturms der falben Affen an der Großen Mauer zu einem Symbol der Unterdrückung und des Widerstandes.
Die Sehnsucht dieser fernen Macht nach globaler Dominanz ist eine mahnende Geschichte über den Fortgang der lautlosen Erosion von Freiheit und die subtilen Gefahren bequemer Selbstzufriedenheit. Sie fordert dazu auf, über die filigranen Wege der Macht nachzudenken und darauf aufmerksam zu machen, dass Individuen und Gesellschaften sich oft der schon greifbaren Dunkelheit nicht bewusstwerden, bis der letzte Augenblick für rettende Einsicht verstrichen ist. Dieser Wachturm mit seinen eingekerkerten Hütern und der alles verschlingenden tausend-äugigen Macht steht für die ernüchternde Erkenntnis, dass selbst das lebendigste, freieste, selbstbewussteste, ja, das ausgelassenste Wesen zu einem Opfer diffuser Heimsuchung werden kann, wenn sie danach trachtet, alles zu kontrollieren, zu dominieren und am Ende zu verschlingen.
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Aus dem Werk ist eine Druckgrafik gleichen Namens in limitierter Auflage entstanden.
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