Der Schwarze Tod 1346–53 – Yersinia pestis – ca. 125 Mio. Tote
2016, Acryl und Öl auf Faserplatte, 86 x 59 cm
28. Februar 2021
Auch die 90. Neuauflage des Romans „Die Pest“ aus dem Jahr 1947 von dem viel zu früh verstorbenen französischen Nobelpreisträger Albert Camus ist inzwischen ausverkauft. Camus erzählt darin die Geschichte der nordalgerischen Hafenstadt Oran, deren Einwohner sich ein Jahr lang gegen die Pest stemmen. Auch wenn die damalige Seuche und Covid-19 nicht vergleichbar miteinander sind und ebenso wenig die medizinischen Bedingungen, so gibt es doch auffällige Parallelen der 1940er Kriegsjahre zur Wahrnehmung der Situation und dem Umgang mit der Krise heute.
Zentrale Figur des als Chronik angelegten Werks ist der Arzt Rieux, der in dieser Epidemie von Anfang an beim Leser ist. Eines Tages verlässt er seine Wohnung, stolpert über eine tote Ratte und berichtet dem Hausmeister davon. Der ignoriert die Sache mit überheblicher Selbstgerechtigkeit: es gibt in diesem Haus keine Ratten, Ende der Debatte! Sehr schnell aber finden sich plötzlich überall weitere tote Ratten und den Menschen wird klar, dass die gesamte Stadt in ein gewaltiges Unheil geraten ist: die Pest ist da! Zuerst fallen die Ratten um wie die Fliegen, dann die Menschen. Dr. Rieux setzt sich von Anfang an für notwendige Hygienemaßnahmen ein und macht mit der Versorgung der Kranken unbeirrt weiter, auch wenn die Situation immer dramatischer wird. Er tut das, was er als Arzt tun muss und erkennt die Rettung der Mitmenschen als seine Bestimmung. Bei seinem Tun richtet er nicht über diejenigen mit anderen Auffassungen und Einschätzungen der Lage und er kümmert sich auch nicht um leere Worthülsen, sondern tut, was getan werden muss, nüchtern, klar, kompromisslos, unbeirrt. Die Menschen um ihn herum reagieren ganz unterschiedlich auf die Seuche und den Tod. Da gibt es den fremden Besucher, der eigentlich nur so schnell wie möglich hinaus möchte aus der abgeriegelten Stadt, aber wegen der Quarantäneauflagen daran gehindert wird und sich schließlich Dr. Rieux anschließt und dem aufgestellten Sanitätstrupp beitritt – letztlich nur, um irgendetwas zu tun. Dann ist da noch der offenbar vollkommen farblose Beamte, der seine ganze Existenz der Pestabwehr widmet und sich dafür unermüdlich einsetzt, ohne recht zu wissen, was er eigentlich tut. Oder der Geistliche, der die Seuche als Strafe Gottes deutet, sich ihr am Ende selbst unterwirft und nichts unternimmt, weil er geistig mittellos geworden ist. Ihnen allen stellt sich Dr. Rieux mit rationalem Verhalten entgegen und erklärt, dass man kämpfen muss und dass es nichts hilft, sich in Demut hinzuknien und abzuwarten oder einfach ohne jeden Plan dahinzuwerkeln. Trotz der vielen Toten macht Dr. Rieux in seiner Arbeit für die Schwächsten der Gesellschaft unbeirrt vom Tagesgeschehen mit klarer Zielvorstellung immer weiter.
Parallelen zu Camus‘ Pest? Natürlich ist COVID-19 nicht die Pest, und die heutige Gesellschaft befindet sich auch nicht unter dem Eindruck eines schrecklichen Krieges so wie Camus, der fünf lange, schwere Jahre brauchte, bis er im Jahr 1946 schließlich den Roman vollenden konnte, auch wenn viele der leeren politischen Phrasen, die allmählich inflationär zu werden drohen, sich derzeit nur allzu gern einer kriegerischen Rhetorik bedienen. Aber das anfängliche Ignorieren einer pandemischen Möglichkeit, das Wegschauen und das Nicht-Wahrhaben-Wollen, das Zögern bei der Notwendigkeit der Schaffung effektiver Quarantänemaßnahmen, die Scheu vor der bitteren Notwendigkeit von Isolation, die fast schon beiläufige Entsorgung von Toten, das rigide Verhindern von Abschiednehmen, das Aufblasen ineffektiver bürokratischer Prozesse – all das sind erschreckende Parallelen damals wie heute, bis hin zu der Feststellung, dass wir uns nie für wirklich verletzbar gehalten haben und uns die Pandemie bis heute nicht vorstellen können.
Oder die irrationale Angst, die bei Camus ebenso wie heute einerseits Verschwörungstheorien befördert, andererseits bei vielen Menschen zu einer Flucht in blindes Vertrauen auf das führt, was prävalente Politiker selbstgerecht als alternativlose Richtschnur absondern und in ihrem isolierten Größenwahn als richtig definieren.
Im vom Rest der Welt abgeriegelten Oran des Albert Camus gilt dasselbe, was im Europa von heute gilt: die Menschen befinden sich in einem Versuchslabor, in einer drastischen Verlangsamung ihrer psychischen Qualität, und wie das Ganze weitergeht, findet der interessierte Beobachter vielleicht in den Sternen oder eventuell bei sich selbst – innerhalb seiner ratlosen Gesellschaft oder bei Entscheidungsträgern hoch oben auf ihren selbstgeschaffenen Elfenbeintürmen aber ganz sicher nicht.
Krankheitsformen
Beulenpest
Die Beulenpest wird durch einen Flohbiss verursacht, mit dem das Bakterium unter die Haut gebracht wird. Der Erreger gelangt danach im System der Lymphe zum nächstgelegenen Lymphknoten. Eine schmerzhafte Lymphadenitis, eine sogenannte Bubo, entsteht innerhalb von 2 bis 7 Tagen. Die Beulenpest war tatsächlich die am häufigsten beobachtete Form des Schwarzen Todes. Symptomatisch fallen in erster Linie die stark vergrößerten und geschwollenen Lymphknoten auf, am häufigsten die Inguinallymphknoten in der Leiste. Infizierte leiden unter Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Fieber, Schmerzen in den Gelenken und Gliedern, neurologischen Störungen und an einem allgemeinen grippeähnlichen Krankheitsgefühl. Der Tod kommt durch Atem- oder Herzversagen. Bei unbehandelter Pest liegt die Sterblichkeitsrate bei über 50%, nach Behandlung bei 10–15%. Beulenpest ist nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Eine Bakteriämie ist in etwa 80% der Beulenpestfälle durch positive Blutkulturen nachweisbar. Unter einer Bakteriämie versteht man die Einschwemmung von Bakterien in den Blutkreislauf. Der Begriff wird auch als Abgrenzung zur Sepsis verwendet, d.h. in der Blutkultur sind zwar Bakterien nachweisbar, der Patient hat aber klinisch keine Sepsiszeichen.
Pestseptikämie
Die Pestseptikämie ist eine Bakteriämie ohne sichtbares Bubo, wenn es sich um eine primäre Pestseptikämie handelt. Die Symptome entsprechen denen der Beulenpest, es treten aber vermehrt Erschöpfung, septischer Schock, Organausfall, Kreislaufkollaps, Blutungen, DIC (disseminierte intravasale Koagulation) und in schweren Fällen auch Nekrosen der Arme und Beine auf. Die DIC verursacht in aller Regel eine dunkelviolette Färbung der Haut. Daher hat der „Schwarze Tod“ seinen Namen. Kranke verstarben normalerweise noch an demselben Tag, an dem die Symptome auftraten. Die Letalität beträgt unbehandelt so gut wie 100%. Auch bei Behandlung liegt die Sterblichkeit noch bei 30–50%. Bei Pestbakteriämie enthält Blut zwischen 10 und 4×107 Zellen/ml. Dennoch ist ein Patient bekannt, der 107 Pestbakterien/ml Blut hatte und die Infektion dennoch überlebte.
Pestpneumonie
Die Lungenpest wird durch die hämatogene Weiterverbreitung der lokalen Beulenpest, der Pestseptikämie (sekundäre Pestpneumonie) oder durch die Einatmen infektiöser Tröpfchen (primäre Pestpneumonie) hervorgerufen. Zu dem mit der Pestseptikämie identischen Krankheitsbild, kommt allerdings noch massive Atemnot hinzu. Die primäre Pneumonie hat eine Inkubationszeit von 1 bis 3 Tagen. Die Sterblichkeit lag früher unbehandelt bei etwa 95%. Es wird angenommen, dass trotz Behandlung immer noch gut 10% der Patienten verstorben sind. Die Lungenpest war die zweithäufigste Form des Schwarzen Todes. Typisch war ein schleimiges Sputum, das Blut enthielt. Während des weiteren Krankheitsverlaufs verflüssigte sich das Sputum zunehmend und wurde hellrot. Bei einer absichtlichen Verbreitung von Pest-Aerosolen – zum Beispiel als biologischer Kampfstoff – könnte man davon ausgehen, dass eine primäre Lungenpest die am häufigsten anzutreffende Erkrankungsform innerhalb einer auftretenden Epidemie wäre.
Weitere Formen
Pharyngitis (Rachenentzündung) und zervikale Lymphadenitis werden durch Einatmen größerer Mengen infektiöser Tröpfchen als Resultat des Gebrauches aerosolisierter Pesterreger oder durch die Aufnahme von infektiösem Gewebe hervorgerufen. Bei Kindern tritt eine durch den Pesterreger induzierte Hirnhautentzündung in 6 bis 7% der Fälle meist 9 bis 14 Tage nach erfolgloser Behandlung auf. Auch Haut- und enterische Formen der Pest wurden beschrieben. Die weitaus seltenere selbstlimitierende Form der Pestinfektion – Pestis Minor (Pestis laevissima) – tritt normalerweise am Anfang und am Ende von Epizootien oder von Epidemien auf.
Das Bild ist Teil einer Serie zum Thema Pandemie: