Hans mein IgelHans mein Igel ist in der Sammlung der „Kinder- und Hausmärchen“, die Jacob und Wilhelm Grimm in der Zeit zwischen 1812 und 1858 herausgaben und die bis heute weltweit als Grimms Märchen bekannt sind, die Nummer 108. In der Grimm‘schen Märchensammlung ist der Themenkreis um eine verwünschte Gestalt, die durch Liebe oder Zuwendung erlöst wird, durchaus häufig anzutreffen: der Froschkönig kann nur durch einen innigen Kuss erlöst werden, die liebevolle Zuneigung von Schneeweißchen und Rosenrot verhelfen dem in einen Bären verwandelten Prinzen schließlich wieder zu seiner eigentlichen Gestalt, und auch beim singenden, springenden Löweneckerchen ist es wieder die selbstlose Liebe, die endlich die Erlösung bringt. Bei Hans mein Igel ist die Sache ein wenig komplizierter. Denn hier begegnet der Leser erstmals einer Opfer-Täter-Transition. Bei diesem Phänomen wird ein Zusammenhang von eigenen Opfererfahrungen mit späteren eigenen Gewaltausübungen beschrieben. John Bowlby hat bereits 1973 in seiner Bindungstheorie Erklärungen für diese Transitionsprozesse schlüssig formuliert. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass derartige Überlegungen sich bereits in einer Zeit finden lassen, die von den Literaturepochen der Romantik und des Biedermeier geprägt wurde und daher derartige psychosoziale Prozesse gern geflissentlich ignoriert. [weiter]
Erich Schöneck |